Newsletter April 2024 aus der TCM Praxis Noll
der April zeigte sich in überaus typischer Weise. Er macht, was er will. Vor allem: Die aufsteigende Energie in der Natur belebt uns wieder. Auch der Heuschnupfen, die allergische Rhinitis hat schon seit Februar begonnen viele Menschen intensiver zu beeinträchtigen. Diese Allergie beruht nach Vorstellungen der westlichen Medizin auf einer übermässigen allergische Reaktion des Immunsystems auf Pollen in den oberen Atemwegen. Nase, Rachenraum und Bronchien sind am häufigsten betroffen. Auch die Augen und seltener die Ohren können von der allergischen Überreaktion betroffen sein.
Die westliche Medizindiagnostik ergründet die Allergene, also bestimmte Stoffe auf der Pollenoberfläche, auf die der Körper allergisch reagiert und versucht den Körper an diese Antigene in einem Prozess der Desensibilisierung zu gewöhnen. Diese Therapie führt man in der allergiefreien Zeit durch. Es gibt aber viele Patienten die trotz jahrelanger Desensibilisierungstherapie weiterhin an Heuschnupfen oder allergischem Asthma leiden. Die Chinesische Medizin hat einen anderen Ansatz, der auf der Vorstellung aufbaut, dass die oberen Verdauungsorgane, das Milz-Pankreas System geschwächt sind und die Nahrung nicht ausreichend verdauen. Dadurch und häufig durch eine Irritation des Immunsystems durch alte, nicht vollständig ausgeheilte Infekte kommt es zu diesen übermässigen allergischen Reaktionen in der Lunge, die zu Jucken und Brennen der Atemwege und der Augen führen. Von dieser Vorstellung ausgehend, stärkt man in der allergiefreien Zeit (!) das geschwächte Milz-Pankreas Organsystem mit Akupunktur oder chinesischen Kräutern und leitet die überschüssige Energie ab, die durch die allergische Reaktion z.B.an den Nasenschleimhäuten entsteht. Akupunktur kann sehr gut in der akuten Phase die Beschwerden lindern und die Allergiebereitschaft reduzieren. Wichtig ist aber eine Behandlungsserie in der allergiefreien Zeit- also im Herbst!
Was bedeutet "Chinesische Arzneimittellehre"?
Viele meiner Patient/-innen werden mit Akupunktur und mit verordneten chinesischen Heilkräutermischungen behandelt.Die Chinesische Arzneimittellehre verwendet vorwiegend Pflanzenteile (Wurzeln, Rinden, Blüten und Blätter), aber auch Mineralien und einige Tierprodukte. Sie haben in China eine bis zu 2000 Jahre alte Anwendungstradition. Heute ist dabei natürlich dem Artenschutz und wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Geschützte Arten aus dem Tier- und Pflanzenreich oder vergiftende Substanzen werden nicht mehr eingesetzt. Ein Grundsatz der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die Erkenntnis, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Deshalb werden einzelne Kräuter und Substanzen in der Regel miteinander kombiniert. Damit können erwünschte Wirkungen gegenseitig verstärkt, unerwünschte aufgehoben oder gelindert werden. Jeder Patient erhält ein individuell auf ihn und seine Krankheitssituation abgestimmtes Rezept. Grundsätzlich besteht kein Anwendungsvorbehalt gegen chinesische Arzneimittel. Allerdings muss ihre Auswahl, Zusammenstellung und Dosierung dem/der erfahrenen TherapeutIn vorbehalten bleiben. Von Selbstmedikationen ist dringend abzuraten. Der/Die TherapeutIn wird ihre Dosierung und Zusammenstellung dem Alter, dem Körpergewicht und den gesundheitlichen Vorbedingungen des/der PatientIn anpassen. Sollten zusätzlich andere Medikamente eingenommen werden, muss der/die BehandlerIn stets darüber informiert werden, um Unverträglichkeiten auszuschliessen.
Traditionell werden chinesische Arzneimittel in Form von Abkochungen (Dekokten) eingenommen, das heisst, die gemischten Rohdrogen werden in Wasser gekocht und als Tee getrunken. Daneben gibt es auch Verabreichungen als verdünnte Extrakte, aufgelöste Granulate und Pulver sowie Pillen und alkoholische Tropfen. Zur äusseren Anwendung dienen Salben oder Sitzbäder. Der/die PatientIn bekommt detaillierte Anweisungen zur Zubereitung und Einnahme der verordneten Rezeptur. Die Chinesischen Arzneien werden täglich, kontinuierlich und über einen gewissen Zeitraum eingenommen. Die Verabreichungsweise und -dauer ist abhängig von der Schwere, Art und Dauer der Erkrankung. Der/die PatientIn wird dabei regelmässig untersucht, um sicherzustellen, dass die gewählte Rezeptur wirksam bleibt. Dabei wird die Rezeptur dem Behandlungsverlauf angepasst.
Am Anfang einer Kräuter-Therapie und im Verlauf alle 8 Wochen ist es ratsam die Funktion von Leber und Nieren zu untersuchen. Dies geschieht durch eine Blutuntersuchung, enweder bei Ihrem Hausarzt oder bei uns in der Praxis.
In Einzelfällen kann es nach der Einnahme der Rezeptur zu körperlichen Reaktionen kommen. In einigen Fällen wird eine Ausleitung über Stuhl oder Urin angestrebt. Dabei kann es zu vermehrtem Wasserlassen oder Stuhlgang kommen. Dies geschieht im Sinne der Therapie. Am Anfang der Behandlung können vereinzelt auch Übelkeit, vermehrte Darmgeräusche und Blähungen auftreten. Bitte teilen Sie auftretende Nebenwirkungen stets Ihrem/r behandelnden TherapeutIn mit.
Chinesische Arzneimittel müssen in Deutschland von den Apotheken, die sie abgeben, auf Qualität und Schadstoffbelastung überprüft werden. Dabei gewährleistete die pharmakologische Fachkompetenz der Apotheke Qualität und schliesst Verunreinigungen aus. Von einem Selbstbezug chinesischer Kräuter z.B. über ausländische Firmen via Internet ist deshalb abzuraten, weil hier die Einhaltung deutscher bzw. europäischer Qualitätsnormen nicht überprüfbar ist.
Klinische Wirksamkeit von Akupunktur bei Heuschnupfen wissenschaftlich bestätigt
In der Ausgabe der Annals of Internal Medicine vom 19.2.2023 wurden die Ergebnisse der ACUSAR-Studie (Acupuncture in Seasonal Allergic Rhinitis) publiziert. Diese Studie, die 2008 -2011 multizentrisch in Deutschland durchgeführt wurde, bestätigt wissenschaftlich, dass Akupunktur bei Heuschnupfen klinisch signifikante Effekte zeigt - auch im Vergleich zu einer sogenannten Schein-Akupunktur (sham). In dieser Studie wurden insgesamt 422 randomisierte Patienten mit Gräser- und Birkenpollen-Allergie behandelt: 212 Patienten erhielten Verum-Akupunktur, 102 Patienten Sham (Schein)-Akupunktur und 108 Patienten mit Bedarfsmedikation waren in einer Wartegruppe als Kontrolle. Diese wurden nach 8 Wochen ebenfalls zusätzlich mit Akupunktur behandelt.
Nach 12 Akupunkturbehandlungen innerhalb von 8 Wochen waren die Beschwerden der Patienten in der Akupunktur-Gruppe nicht nur im Vergleich zur Kontrollgruppe, sondern auch im Vergleich zur Scheinakupunktur-Gruppe signifkant geringer. Akupunktur führte zu einer deutlichen und signifikant besseren Lebensqualität und geringerem Bedarf an Antihistaminika.
Diese Ergebnisse deuten auf spezifische Effekte der Akupunktur bei Allergie hin. Dies wurde auch in einer anderen, kürzlich publizierten Studie bei Patienten mit ganzjähriger Rhinitis bestätigt (Choi SM et al. Allergy 2023). Damit scheint die wissenschaftliche Nachweislage (bisher positiv für Schmerztherapien, Übelkeit und einige gynäkologische Krankheiten) auch für die Allergiebehandlung mit Akupunktur gegeben.
Auf den Punkt gebracht: ein ganz besonderes Areal
.. für positive Einwirkungen auf das Immunsystem befindet sich am oberen Rücken zwischen den Schulterblättern. Über Haut-Organ-Reflexe kann im gesamten Rumpf durch Reizung der Haut auf die inneren Organe eingewirkt werden. So im Bauchbereich auf Magen und Darm, im Unterbauch auf die Blase und die Fortpflanzungsorgane, am unteren Rücken auf die Nieren und - das ist jetzt für uns besonders wichtig - im Brustbereich auf die Lunge. Aus Sicht der TCM ist die Lunge nicht nur für die Atmung zuständig, also für die Aufnahme lebensnotwendigen Qi (=Sauerstoff) und die Abgabe von Überflüssigem (= CO2). Sondern sie steuert auch das Immunsystem, die Abwehrenergie. Dies geschieht über die ‚Grenzfläche‘, die der Mensch zur Umwelt hat: Seine Haut. Die Haut nimmt Reize auf, auch sie ‚atmet‘ wie die Lunge. Und so unterstützen die verschiedensten Reizmethoden das Immunsystem, gerade wenn sie im oberen Rücken zwischen den Schulterblättern angewendet werden.
- Dazhui (Du Mai 14) Dieser Punkt liegt mittig unter dem hervorstehenden 7. Halswirbel. Er ist ein sehr wichtiger Punkt bei Infektanfälligkeit, aber auch bei akuten Infektionen, die auf eine Schwäche der Abwehrenergie zurückzuführen sind. Empfohlene Methode: Erwärmend Reiben, Moxibustion
- Da Zhu (Blase 11) Dieser Punkt liegt auf beiden Seiten der Wirbelsäule im Nacken, direkt neben Du Mai 14. Er wirkt besonders bei tiefgreifenden Störungen des Immungeschehens, die aus TCM-Sicht sowohl Lunge als auch Nieren beeinträchtigen. Unter den Autoimmunerkrankungen wird er besonders bei rheumatischen Erkrankungen angewendet. Empfohlene Methode: Moxibustion
- Fengmen (Blase 12) Dieser Punkt liegt auf beiden Seiten der Wirbelsäule im Nacken, 2 Daumenbreiten unter dem hervorstehenden 7. Halswirbel. Er ist ein ‚Wind-Punkt‘ - wirksam ist er vor allem bei Asthma, Luftnot und Druckgefühl im Hals. Empfohlene Methode: Kratzen, Guasha
- Feishu (Blase 13) Dieser Punkt liegt auf beiden Seiten der Wirbelsäule im Nacken, 3 Daumenbreiten unter dem hervorstehenden 7. Halswirbel. Über diesen Punkt kann die Lunge und somit auch das gesamte Immunsystem gestärkt werden. Empfohlene Methode: Moxibustion (ein kleiner Auszug aus dem Hashimoto-Ratgeber...)
Einige Bücher von und mit Andreas Noll
-Handbuch der Phytotherapie, MZ-Verlag, 1989 (vergriffen)
-Die Wandlungsphasen in der Traditionellen Chinesischen Medizin, Band 1-5 1992-2004, Müller&Steinicke, München (Autorenteam mit U.Lorenzen), ISBN-13: 978-3875691184, 978-3875691160, 978-3875691122,978-3875692037, 978-3875691115 -TCM für 50+ (Hg. mit B.Ziegler), Müller & Steinicke, 2013, ISBN-13: 978-3875692235
-Stresskrankheiten: Vorbeugen und behandeln mit chinesischer Medizin (Hg. mit B.Kirschbaum), Elsevier, 2006,ISBN-13: 978-3437575600 Traditionelle Chinesische Medizin, Gräfe und Unzer 2008, ISBN-13: 978-3833809903
-Patientenratgeber Traditionelle Chinesische Medizin: Heilen mit Akupunktur, Akupressur, chinesischen Kräutern und Qigong, Müller&Steinicke, 2013, ISBN-13: 978-3875692082 -Kinderwunsch-Natürliche Wege zum Wunschkind (mit C.Gnoth), Gräfe und Unzer 2009, ISBN-13: 978-3833816277
-Kinderwunsch-Ratgeber Traditionelle Chinesische Medizin, ISBN-13: 978-3875692228
-Chinesische Medizin bei Fertilitätsstörungen (Hg), Hippokrates 2008, ISBN-13: 978-3830453550
-Chinese Medicine in Fertility Disorders (Hg. mit S.Wilms), Thieme 2009, ISBN-13: 978-3131489913
-Die Organuhr: Gesund im Einklang mit unseren natürlichen Rhythmen (zusammen mit D.Hemm), GU 2012 + 2015, ISBN-13: 978-3833844126
-Organbalance (zusammen mit D.Hemm), Gräfe und Unzer, 2014, ISBN-13: 978-3833838118
-Verdauungs-Ratgeber Traditionelle Chinesische Medizin, Müller&Steinicke, 2016, ISBN-13: 978-3875692259
-Frau im Dao, BoD - Books on Demand, Norderstedt,2016,ISBN: 9783739233444
-Kinderwunsch-Ganzheitliche und schulmedizinische Wege (mit C.Gnoth), Zuckschwerdt 2016, ISBN-13: 978-3863712136
-Hashimoto Thyreoiditis-Ratgeber TCM (mit V. Haslauer), Müller&Steinicke, 2017, ISBN 978-3-87569-226-6
Die Schilddrüse - ein ganz besondere Steuerzentrum
Seit Jahrzehnten werden Entzündungen, Veränderungen oder Funktionsstörungen der Schilddrüse mit Medikamenten wie L-Thyroxin behandeldt. Meist Frauen, Millionen schlucken in Deutschland täglich diese hochwirksamen Hormone. Die langfristig auch erhebliche Nebenwirkungen haben, vor allem aber in ein hochsensibles, fein ausgesteuertes Netzwerk von Hormonen eingreifen. Nun wurde im unabhängigen ‚arznei-telegramm‘ von einer fundierten Studie berichtet: Hintergrund ist, dass bei vielen Menschen einzig und allein auf Grundlage eines erhöhten TSH-Wertes (ein Steuer-Hormon für die Schilddrüse) davon ausgegangen wird, dass Schilddrüsen-Hormone eingenommen werden müssen. Eine Studie mit älteren Patienten ergab nun, dass durch die L-Thyroxin-Einnahme weder ein Einfluss auf Müdigkeit, Lebensqualität und auch Sterblichkeit war definitiv nicht zu beobachten. Die Ergebnisse sprachen eindeutig dagegen, lediglich aufgrund des TSH-Wertes die Schilddrüsen-Hormone eingenommen werden müssen. Auch schulmedizinisch müssen in jedem Fall noch andere Laborwerte hinzugezogen werden - behandeln lassen sich Schilddrüsenunter- und überfunktion übrigens dann sehr gut mit den Methoden der TCM, mit chinesischen Kräutern und Akupunktur.
Leben Sie mit der Zeit!