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Migräne - Fachartikel von Andreas Noll

 

Artikel in der Fachzeitschrift "Qi" der AGTCM veröffentlicht

Wie der Zufall es vielleicht so will, kann ich eigentlich nicht bestätigen, daß Migräne eine leicht und erfolgreich zu behandelnde Erkrankung ist. Es gibt sicherlich einige TCM-Muster, die immer wieder auftauchen und auch sicher in dieser Ausgabe der Qi ausführlich erörtert werden. Patienten sind eigentlich immer schwierig -wenn man sich ihnen therapeutisch tiefergehend widmet –und überaus komplex und einzigartig in ihrer Lebens- und Leidensgeschichte. Jeder Patient ist für mich auch nach bald 40 jähriger Praxis ein detektivisches Abenteuer… Bei der Behandlung von Migräne stieß ich auffällig oft auf einen Sumpf von Schleim und Feuchtigkeit. Schwierig sind diese Patienten zu erfassen, es ist ein komplexes Unterfangen, sich ein klares Bild von ihrer diffusen Energetik zu machen. Es verlangt aber auch von der Seite des Therapeuten einen klaren, unvernebelten Blick, um diesen „Wust“ an Informationen, Stimmungen und irrläufernden Energien zu klären und sich einem therapeutischen Konzept zu nähern: Wenn Sie sich von einer/m PatientIn kein klares energetisches Bild machen können, dann liegt das entweder an deren Schleim oder an Ihrem eigenen!
Feuchtigkeit verlangsamt, Schleim blockiert – dabei können alle Bereiche unseres energetischen Systems betroffen sein: die Jing-, Luo-Mai und die Jin Jing, dann aber auch die energetischen Zentren der Zang und Fu. Im Zusammenhang mit Migräne schauen wir bekannter Weise besonders auf Niere, Leber, Herz und Milz, bei den Leitbahnen auf Magen- und Gallenblasen-Leitbahn, vielleicht auch auf die Jing Bie. Die detektivische Arbeit besteht dann darin, heraus zu finden, was zu dieser Konstellation geführt hat -> ein inneres „Bild“ der Energetik des Patienten zu „malen“  ->und dann ein eigenes Bild von der Therapie zu malen. Es ist eben Heilkunst…..
Ich habe Ihnen ein paar PatientInnen herausgesucht:

Eine Patientin, der eine jahrzehntelange Überlastung und fundamentale Unsicherheit letztendlich auch jedes Vertrauen und positives Wohlwollen gegenüber sich selbst geraubt haben. Schwäche, Blockaden, durch Schleim oder Wind verwirrende Disharmonien im Gesamtsystem von Körper, Geist und Seele. Die beschriebene Frau S. begegnete mir als eine dieser PatientInnen, die in der Fülle von Beschwerden und Informationen nahezu überbordend wirkten. Es ist nicht nur die Quantität, sondern auch die Intensität der Beschwerden und der Leidensdruck, der sie seit Jahren begleitete.
 
Es handelt sich um Frau S., eine 55jährige angestellte Apothekerin, alleinerziehende Mutter von 2 Töchtern mit einem sachlichen Kontakt zum Kindsvater seit 24 Jahren. 
Zum ersten Termin bekam ich von ihr einen 6seitigen „Stammbaum der Krankheiten“ mit detaillierten Beschreibungen von Symptomen und Verlauf, mit vielen „schreienden“ Ausrufezeichen, Kapitalen und Fettdruck. 
Ängste begleiteten sie mit Beginn der Migräne im 16. Lebensjahr, seitdem ihre Mutter von ihrem alkoholsüchtigen Vater im Rausch umgebracht wurde.
Immer wieder litt sie seitdem unter zeitweise täglich auftretenden Migräneschüben nach einer Aura, begleitet von vaginalen Blutungen, Kopfschmerzen, Körperschmerzen, Schwäche, Kraftlosigkeit, vergleichbar mit einer starke Grippe. Häufig kam dann anschließend ein Infekt, beginnend mit Halsschmerzen. War die Migräne vorbei, stärkten sie saure Lebensmitteln und kräftige Suppen. 
Zusätzlich hatte sie 2016 tägliche heftigste morgendliche (11-12 Uhr) Clusterkopfschmerzen bei Stärke: 10 + mit täglichen Klinikaufenthalten und zunehmenden Todessehnsüchten. Seither ist Frau S. in kontinuierlicher psychotherapeutischer Betreuung. 
Die Aura vor der Migräne wurde seither stärker: Farbensehen: „Dünne Kristallscheibe- gelb rosa grün“, schwarze Punkte. Dazu kamen kontinuierliche Taubheitsgefühle 2.+3. Zehen, linke Extremität, linker Arm, linke Gesichtshälfte. Immer wieder kam es zu einem Krampf am After teilweise mit Bewusstlosigkeit und Blockade der Lendenregion. 
Unter einem Migräneschub kam es häufig zu Aphten und Herpes an Haut und Schleimhäuten in Mund, Nase und der Scheide. Bereits mit 16 Jahren hatte sie sehr häufige Infekte mit stärksten Fieberschüben, mit 40 Jahren eine EBV-Erkrankung.
Ihr Schlaf ist sehr schlecht, sie leidet unter Ein- und Durchschlafstörungen. Seit einigen Jahren ist Frau S. in der Menopause, vorher hatte sie sehr starke schmerzhafte Blutungen mit Koageln und Zwischenblutungen
Der Stuhlgang ist wechselnd, gelegentlich hat sie blutende Hämorrhoiden, zudem plagen sie diffuse unregelmäßig auftretende Bauchschmerzen.

Medikation: Nasonex,Dekristol, Allergospasmin, Alvesco, Rupatatin
Zunge; hell, gedunsen, rote Punkte, UZV stark gestaut
Puls: Herz+Leber Xian Mai, Milz Hua Mai, Lunge Xi Mai, Niere Xu Mai


TCM-Diagnose: 
Pathogene Hitze – Leitsymptome sind die Infekte und die Migräneschübe
Nieren-Leber-Leere – dies ist Resultat einer Jahrzehntelangen emotionalen und physischen Verausgabung, beginnend mit ihrer Kindheitsgeschichte; 
Feuchtigkeit/Schleim verlegt die Herzöffnungen, 
Schleim Magen-Leitbahn- Migräne
Therapie: Akupunktur, chin. Arzneimittel


Verlauf:
Schleim- und Wind-Symptomatik prägten die insgesamt 5 monatige Behandlung. Es traten wiederholte Asthmaanfälle und Herzrasen auf, so daß Frau S. immer wieder das Krankenhaus notfallmäßig aufsuchen musste. Neben den Kräutern wurde Frau S. nach Möglichkeit wöchentlich akupunktiert. Anfangs mit dem Ziel der Ausleitung der Pathogene und Bewegung von Qi und Xue (Gb 41, Le 8, MP 10, Bai Lao, Schöpfmassage etc.), später zur Stärkung von Herz und Nieren (z.B. Ren Mai, Nie 7, 2) Erfreulicherweise wurden die Migräneanfälle kürzer, nur im Winter durch Kälte und Feuchtigkeitsbelastung traten sie häufiger auf. 
Einige Monate nach Beginn der Behandlung war der Leberwert GPT signifikant erhöht (->240). Die Ursache war ungeklärt, auszuschließen war nach Rücksprache mit dem CTCA eine toxische Wirkung von Huang Qin – die Kräuter (zuletzt eine Modifikation von Xiao Chai Hu Tang) wurden daraufhin sicherheitshalber abgesetzt und durch TCM-Migräne-Zäpfchen b. Bedarf ersetzt. Vom zeitlichen Ablauf her konnten weder die chinesischen noch die westlichen Arzneimittel die Auslöser der Leberschädigung gewesen sein – wahrscheinlich handelte es sich um die Folgen eines Virusinfektes. 
Nachdem Frau S. auch auf die Akupunkturnadeln mit Schwindel, Angst und auch Kollapsneigung reagiert hatte, wurde sie 3x mit Moxa behandelt: Milz 10, Le 1, Le 4, Gb 41 – jeweils sedierend gemoxt. Migräne trat dann erst nach 2 Monaten wieder auf. Die Pulse waren an Herz und Leber nicht mehr gespannt, die erschöpften Nieren-Pulse hingegen blieben gleich. Corona bedingte das Ende der Behandlung.

 

Eigentlich ist bei dieser Patientin die unerträgliche innere Anspannung das Hauptproblem. Und nun kam ein fataler, verwirrender und erschütternder Befund eines -ungefährlichen- Tumors. Schulmedizinische Konsequenzen ergeben sich gottseidank nicht – es bleibt zusätzlich zur angespannten Grundkonstellation eine Verwirrung hinterlassende, kaum zu verarbeitende Information.

Bei Frau M., 44 Jahre alt, Lehrerin, wurde als Zufallsbefund bei einem MRT wegen Migräne ein Meningeom links festgestellt. Der Tumor ist kaum wachsend, er soll weiterhin nur beobachtet werden in vierteljährlicher MRT-Diagnostik. Die Patientin entscheidet sich trotz erheblicher Ängste zum Zuwarten mit Begleitung durch die TCM. 
Die seit mehr als 10 Jahren auftretenden wöchentlichen Migräneanfälle kommen rechts vom Nacken/Schulterbereich. Ein regelrechter Triggerpunkt ist Gb 21, der stechend-ziehende Schmerz zieht dann ums Ohr herum die Gallenblasen-Leitbahn entlang, er wird besser in Dunkelheit und Stille.
Zudem leidet sie unter Nackenverspannungen, Ohrensausen, rezidivierenden drückenden Ohrenschmerzen und wiederkehrenden Schwindelattacken. Sie fühlt sich angstbesetzt und depressiv, ist daher auch in kontinuierlicher Psychotherapie.
Einschlafen ist schlecht, Frau M. hat hartnäckige quälende Gedanken (Ärger, Wut reingefressen…), beschreibt sich selber auch mit einem „großen Rucksack zum Mitschleppen“
Bei Anstrengung, Sport, psychischer und körperlicher Belastung bekommt sie weniger Luft und Husten mit zähem, klaren Schleim.
Puls: Niere beide Xu Mai, Herz Xi Mai, Lunge + Magen Huan Mai
Zunge: weißlicher Belag, rote Punkte, gedunsen, Unterzungenvenen ausgeprägt gestaut

 

TCM-Diagnose: 
Stagnation von Schleim/Feuchtigkeit– radiologischer Befund, Pulsbefund, Migräne, Husten; 
Nieren-Leere – Ängste und Pulsbefund
gestautes Leber-Qi – Verspannungen, Wut im Bauch, Unterzungenvenen (Blut)
Therapie: Chin. Arzneimittel; Akupunktur war wegen grosser räumlicher Distanz nicht stressfrei möglich.


Verlauf:
Anfangs nahm Frau M. eine Modifikation von Shu Gan Tang ein, um das Leber Qi zu regulieren und Blutstasen zu zerstreuen. Ergänzt wurde die klassische Rezeptur zeitweise durch Shi Chang Pu, später durch Suan Zao Ren und auch Gui Zhi. Akupunkturbehandlungen wurden abgelehnt.
Einige Wochen nach Beginn der Behandlung klagte die Patientin über schlechten, von Sorgen und Ängsten gestörten Schlaf. Der Stuhlgang erschien ihr schwerer.
Nach einem weiteren Monat der Einnahme der Kräuter regulierte sich sowohl der Stuhlgang – der wesentlich „glatter“ kam und auch der Schlaf. Frau M. konnte jetzt deutlich besser abschalten. Migräne trat nicht mehr auf, lediglich noch Verspannungen im HWS-Bereich, die wir mit Tuina-Behandlungen deutlich und anhaltend lösen konnten.
4 Monate nach Behandlungsbeginn war dann das Kontroll-MRT – das Meningeom war nicht weiter gewachsen. Sie will erst in 1/2 Jahr wieder nach Empfehlung des Radiologen ein MRT machen, solange keine neurologischen Symptome auftreten.
Im Rahmen einer Leber-Gallen-Reinigung (n. Moritz) vor 4 Wochen traten erstmal wieder heftige Migränebeschwerden auf. 
Im Sommer registrierte sie zwei Veränderungen: zum einen deutlich verminderte Hitzegefühle und eine vermehrte Behaarung im Kinnbereich bei gleichzeitiger Ausdünnung der Kopfhaare. Das Grübeln und die Ängste nahmen zu, leider auch wieder die Schlafstörungen und auch viele Träume. Jedoch keine Migräneanfälle. Die Kräuterrezeptur wurde durch Blut stärkende und den Chong Mai regulierende Arzneimittel bereichert.
Obgleich -oder weil?- sie nur in monatlichen Abständen in die Praxis kommen musste, übernahm ihre Leber Qi Stagnation und somit drängende Ungeduld das Regime. Die Pulse waren nunmehr durchgehend Xian Mai, Feuchtigkeit und Schleim anzeigende Pulse (Huan, Hua) waren nicht mehr zu fühlen, ebenso zeigte die Zunge keine relevante Feuchtigkeit mehr an, sie war eher an den Seiten gerötet. Frau M. pausiert seitdem mit der Behandlung.

 

Nicht selten begegnen uns Patienten, deren innere Getriebenheit die Erschöpfung nahezu vorprogrammiert. Die Ursachen für diese verausgabende Grundstimmung liegt meist in der fernen Vergangenheit, in Kindheit und Jugend. Flucht vor Hass und Gewalt führt nicht selten zum Kampf gegen und zur Flucht vor sich selber. Diese persönlichen Prägungen auszugleichen braucht seine Zeit. Nicht selten benötigen diese Menschen ein lange therapeutische Begleitung. Neulich beschrieb mir jemand das Dilemma so: Jeder Hamster braucht sein Hamsterrad – und ist todunglücklich, wenn er nicht rennen darf….

Frau A. ist 32 Jahre alt, ehemalige IT-lerin und studiert jetzt seit einigen Jahren Medizin. Neben dem Studium gibt sie noch Yogaunterricht und arbeitet abends in einem Restaurant als Bedienung. Sie fühlt sich erschöpft und matt, nimmt Thyroxin ein, wobei keine TPO-AK nachgewiesen werden konnten und eine euthyreote Stoffwechsellage gefunden wurde. Ihre Ruhelosigkeit führt zu teilweise heftigen Streits mit dem Partner, aber die beiden finden immer wieder zueinander. Migräne hat sie früher nur in Verbindung mit anderen prämenstruellen Beschwerden wie Brustspannung und Gereiztheit, inzwischen jedoch 4x/Monat. Durchgehend klagt sie über mangelnde Konzentration und einen benebelten Kopf, besonders beim Lernen. In der Brust wurden Zysten und Fibroadenome festgestellt.
Infekte: Aphten/ Herpes, Rhinitis kommt heftig wie Allergieschnupfen, ist dann am nächsten Tag wieder weg (keine Allergien)
Verdauung: Magenschmerzen und Sodbrennen
Die zweite Zyklushälfte ist verkürzt, die Blutung kommt teilweise ab 4 Tage nach dem Eisprung mit Ziehen im Unterleib, sie ist schmerzhaft mit Koageln.
Zunge: rötlich, etwas rissig, wenig rote Punkte, etwas gedunsen, UZV gestaut
Puls: Herz xi , Leber xi , Nieren Yin xu
TCM-Diagnose: 
Nieren Yin Xu/Leber Xue Xu– Verausgabung, Getriebensein, PMS, Ungeduld, Wind-Symptome; 
Feuchtigkeit/Schleim – Konzentrationsstörungen, Zysten, Migräne, PE
Behandlung: Chinesische Arzneimittel
Verlauf:
Frau A. ist nun 10x in Behandlung. Sie bekam Xiao Yao San (mit Shu/Sheng Di Huang, und Xiang Fu) und später nach der Fastenkur Gui Pi Tang + Lian Qiao verordnet. Die Rezeptur wird alle 14 Tage angepasst. Bereits beim 3. Termin fragte sie übrigens, wie lange das noch dauert….Es hat sich bisher noch recht wenig verändert, aber der Zyklus hat sich normalisiert bei einer Zyklusdauer von jetzt 27 Tagen. Signifikante Besserung der Migräne konnte sie nach einer Fasten-Kur beobachten, die zudem noch mit einer Lern-Pause zusammenfiel. Nach der Fastenkur zeigte sie jedoch deutliche Leere-Symptome, die Zunge war nun hell und nicht mehr gedunsen. Die Konzentrationsstörungen hatten sich schon bald nach Behandlungsbeginn deutlich zu ihrer Zufriedenheit gebessert, auch die Allergie scheint weniger zu werden. Die Behandlung dauert zur Zeit noch an, wird sicherlich noch eine Weile beanspruchen. Wir werden sehen, ob der Leber Qi Stau das so mitmacht…

Auch hier prägender, jahrzehntelanger Druck aus der familiären Prägung heraus. Generationen überlieferter Lebens-Paradigmen werden unweigerlich übernommen. Solange, bis der eigene Weg gefunden wird. Davor: viel Arbeit, viel Output ohne viel Input – es bleibt ein energetisches „Verlustgeschäft“ der Holz-/Leber-Energie. Dieser Patient hat es geschafft, das unergiebige Hamsterrad gegen ein fruchtbares Vehikel einzutauschen.

Herr R. kommt aus einer Bankerfamilie. Der Tradition folgend arbeitete er auch nach dessen Tod vor 3 Jahre in seinem ungeliebten Job in der Bank seines Vaters. Alle 6-8 Wochen leidet er unter heftigster Migräne mit Übelkeit und linksseitigen Kopfschmerzen, die ihn tagelang arbeitsunfähig machen. Akut kommen HWS-Probleme mit Muskelverspannungen hinzu, die durch Fehlbelastung beim Stress-Ausgleich-Sport (Rudern) verstärkt wurden.
Zunge:  heller Zungenkörper, gestaute Unterzungenvenen
Puls: links alle Pulse sehr fein (Xi Mai), Leber Ru Mai


TCM-Diagnose:
Leber Xue Xu – Erschöpfung durch verausgabenden Job, getrieben durch familiäre Verpflichtung; 
Stagnation Blut und Qi – Migräne/Kopfschmerzen/Verspannungen
Therapie: Chin. Arzneimittel, Tuina


Verlauf:
Zur Stärkung und zum Aufbau des Leber Xue wurde Herrn R. eine Modifikation von Liu Wei Di Huang Wan verordnet. Schon nach der ersten Behandlung fühlte er sich deutlich besser, die Beweglichkeit der HWS war wieder hergestellt und die durch die Verspannung ausgelösten Kopfschmerzen minimiert. In den nächsten 8 Wochen wurde er noch 4x mit Tuina behandelt und nahm regelmäßig die Kräutermischung. Das vorher unangenehme Zucken am Auge als -neben der Migräne- Indiz für die Leber-Blut-Leere/Wind – trat nicht mehr auf, der Schlaf war gut und traumlos. Migräne war nicht mehr aufgetreten. Da er zudem seinen Arbeitsplatz gewechselt hat und sich in der jetzigen gemeinnützigen und wohltätigen Finanzinstitution sehr viel eher „zu Hause“ fühlte, bezeichnete er sich jetzt als „super, kräftig, ausgeglichen“. Er nahm noch weitere 6 Wochen die Kräuterrezeptur ein und ward seitdem nicht mehr gesehen. 
 

Fast alle Patienten, die sich aus ihrer subjektiven Hilflosigkeit heraus in therapeutische Behandlung begeben, begegnen uns besonders anfangs mit einer persönlichen Maske. Nicht nur Mund-Nase, sondern vor allem Seelen-Maske. Alles, was sie von sich offenbaren, geht durch einen Filter – der zurückbehält, was wertvoll ist und vor allem: was verletzlich macht. Was man bei aller professionellen Perfektion einfach nicht begreifen und mit dem man nicht so souverän umgehen kann.. Kräftige, taffe Menschen zeigen keine Schwächen – davon geht man bei uns aus. Diese Patientin erscheint als so eine „taffe“ Businessfrau – unnahbar. Nur wenn es um ihr Leiden geht – aber das hat ja scheinbar nichts mit ihr zu tun. Anfangs zeigt es die Pulsdiagnose, später mit zunehmendem Vertrauensverhältnis auch die wachsende Offenheit: Hinter jeder Stärke steckt auch eine Schwäche….

Seit ihrer Jugend leidet Frau M.-L., 46 Jahre alt, an Migräne, besonders seit dem Eintritt in das 5. Lebensjahrzehnt. Auffällig ist ihre laute, durchdringende und ausgeprägt akzentuierte Stimme und ein mehr als deutlich selbstbewusstes Auftreten. 
Bis zu 10 Tage leidet sie durchgehend in den ersten beiden Zykluswochen an Migräne. Arbeiten ist dann fast unmöglich. Grundsätzlich treten 2 Formen von Migräne bei ihr auf: zum einen in der 1. Zyklushälfte mit begleitendem benebelten, matschigen Gefühl im Kopf und Übelkeit/Erbrechen und auch Sodbrennen, dann aber auch später im Zyklus vom Nacken linksseitig ausgehend bis zum linken Auge, auch bei Wetterumschwüngen. 
Stressig war der Berufswechsel vor einem Jahr, als belastend empfindet sie ihren Perfektionismus, auch dies bewirkt dauernde Angespanntheit. Besonders seit dem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber, einem neuen Team und neuen Herausforderungen fühlt sie sich erschöpft. Neben der Migräne traten jetzt noch immer wieder Schwindel und diffuser Juckreiz ungeklärter Genese auf. 
Emotional belasten sie die Sorgen um ihre psychisch kranke latent suizidgefährdete Schwester - das viele Arbeiten war jahrelang auch eine Flucht für sie.
Frau M.-L. hat schon länger keine Beziehung mehr. Sexualität ist für sie: „die Wüste Gobi“
Puls: alle Pulse Xian Mai, Niere Xi Mai
Zunge: Rand rötlich, UZV ausgeprägt gestaut


TCM-Diagnose: 
Leber Qi Stagnation und -Xue-Schwäche – Pulse Verspannungen, Persönlichkeit; 
Feuchtigkeit/Hitze im Zhong Jiao – emotionale Belastung, gastrointestinale Beschwerden, Migräne; 
Nieren-Leere – Puls, Ängste
Behandlung: Akupunktur, Chin. Arzneimittel gelegentlich als Zäpfchen.


Verlauf:
Frau M.-L. ist anfangs äußerst skeptisch gegenüber den TCM-Behandlungsmethoden, hat mit chin. Arzneimitteln schlechte Erfahrungen gemacht – aufgetretene Symptome wurden von ihr auf diese zurückgeführt. Ähnliches berichtete sie auch über die Akupunktur – also trat sie auch bei mir der TCM-Behandlung mit sehr ausgeprägter Skepsis entgegen – ihr Vertrauen musste folglich erst verdient werden. Neben der Behandlung bei mir war sie noch bei einem Hormonspezialisten, der ihr Anfangs „bioidentisches“ Progesteron, DHEA und Pregnenolon verordnet hatte. Die Akupunktur erfolgte mit feinen Seirin-Nadeln mit max.- 2-3 Punkten/Sitzung, die sich wie Le3/Di4, Le3/Pc6 oder MP 10/Gb34 auf die Auflösung der Leber-Qi-bedingten Blockaden konzentrierten. In vielen therapeutischen Gesprächen beschäftigten wir uns mit ihrer beruflichen und privaten Situation. 14x war Frau M.-L. zur Behandlung innerhalb eines halben Jahres. Nach 3 Monaten konnte sie feststellen, daß die Migräne deutlich weniger prägnant auftrat und vor allem sehr, sehr viel seltener – ohne dadurch verursachte Arbeitsausfälle. Psychisch empfand sie sich als wesentlich stabiler. 
 

 

 

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