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Akupunktur Rücken - Fachartikel von Andreas Noll

 

Artikel in der Fachzeitschrift "Qi" der AGTCM veröffentlicht

1. Rücken = Yang?
Der Rücken ist Yang im Vergleich zum Bauch – so lernen es unsere Studenten in den ersten Lektionen. Er öffnet sich nach außen, und konsequenterweise kann man über die Behandlung des Rückens sehr erfolgreich auf Veränderungen des Yang-Aspektes einwirken. Im höchsten Yang jedoch ist es dem Yin am nächsten- und die energetische Betrachtung des Rückens bestätigt dies nur zu gut: Er führt, obwohl die “Sonnenseite” (Yang), in unserem Bewußtsein eher ein “Schattendasein”. Unbeachtet, der unmittelbaren Aufmerksamkeit entzogen ist er umso empfänglicher für Reize jedweder Art- von der sanften, einschmeichelnden Wellness-Massage bis hin zu mitunter recht eindrucksvollen therapeutischen Methoden wie dem Schröpfen oder dem Guasha. Das Yang nährt das Yin- und somit liegt der ganz besondere therapeutische Nutzen vieler Akupunkturpunkte in ihrem sehr breiten Spektrum. Es können die Zangfu bekannter Weise über die neben der Wirbelsäule gelegenen Shu-Punkte beeinflusst werden. Hierbei spielen als Erklärungsmodelle moderne neurologische Erkenntnisse eine wichtige Rolle, wie z.B. die Nutzung von cutovizceralen Reflexen und der Beeinflussung des Sympathikus, ebenso wie ossäre und muskuläre Veränderungen- auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte. Für die klassische Akupunktur bieten die Leitbahnverläufe etliche therapierelevante Ansatzpunkte:


2. Vertikal: Verbindungen der Leitbahnen
Der Rücken wird von den Taiyang-Leitbahnen und dem Du Mai mit Qi, Xue und Ying versorgt. Dies sind bekannterweise im oberen Teil des Rückens die Dünndarm-Leitbahn und über den gesamten Rücken in zwei Ästen die Blasen-Leitbahn. Mittig verläuft der Du Mai. Im Folgenden einige Charakteristika dieser Verknüpfungen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit!


Blase <-> Dünndarm : Taiyang des Fusses und der Hand; im System der 6 Schichten die äußerste Ebene, auf der pathogene Energien eindringen und therapeutisch beeinflußt werden können. Affiziert wird diese Schicht und somit auch dieses Leitbahnpaar vor allem durch eindringende Kälte, emotional charakterisieren sie sich wie folgt:
太 陽 之 人, 居 處 於 於, 好 言 大 事, 無 能 而 虛 說,志 發 乎 四 野, 舉 措 不 顧 是 非, 為 事 如 常 自 用, 事 雖 敗,而 常 無 悔, 此 太 陽 之 人 。 
Die Menschen vom Typ des Taiyang sind bezüglich ihres Hauses genügsam, plaudern aber gerne über Angelegenheiten der großen Welt, sie prahlen, ohne selber viel zu können, verbreiten ihre Absichten an alle, kümmern sich wenig um richtiges oder falsches Handeln und sind von sich sehrå überzeugt. Wenn sie einmal versagen, bereuen sie nichts - dies sind die Menschen vom Typ des Taiyang.


太 陽 之 人, 其 狀 軒 軒 儲 儲, 反 身 折, 此 太 陽 之人 也 。 
Die Menschen vom Typ des Taiyang sind stolz auf sich selbst und sind selbstzufrieden, sie strecken ihren Brustkorb nach vorne aus und ihren Bauch und ziehen die Kniekehlen an. Das sind die Menschen vom Typ des Taiyang.  (Ling Shu, Kap.72)

 

Blase <-> Niere: Zangfu-Verbindung, eine Yin-Yang-Beziehung, d.h. eine wechselseitige Beeinflussung. Bekannt z.B. in Fällen einer Leere des Zang Niere, bei der als Leitsymptom eine Schwäche der Lendenregion und Blockaden auf der Blasenleitbahn im unteren Rücken zu beobachten sind.


Blase <->Lunge : Zi Wu Liu Zhu (“Organuhr”), klinisch relevant beispielsweise im oberen Rücken bei der Stimulation der dortigen Punkte, die eine Weitung des Thorax, vertiefte Atmung und somit eine Kräftigung des Qi (“Kernkompetenz” der Lunge) bewirken.


Dünndarm <-> Herz: Zangfu-Verbindung; der Dünndarm als Yang des Herzens bringt dessen Qi und Yang nach außen und eine Störung seiner Funktion des “Trennen vom Reinen und Unreinen” zeigt sich z.B. in “nervöser Unruhe unter dem Herzen, einem verworrenen und unklaren Geist” (Lei Jing Tu Yi)


Dünndarm <->Leber : Zi Wu Liu Zhu (“Organuhr”); diese Beziehung finden wir klinisch relevant in der Affinität beider zu innerem/äußerem Wind und Blockaden des Qi in den Jin Jing (Muskelleitbahnen)


Du Mai <-> Taiyang – der Du Mai beherrscht das Yang, alle Yang-Leitbahnen haben an den Punkten Bai Hui (Du 20) und Da Zhui (Du 14) über ihn Verbindung zu den Nieren und er hebt deren Yang aus dem Unterleib nach oben. Auf diesem Weg trägt er über die Shu-Punkte dazu bei, die Zangfu mit Yang und Jing aus den Nieren zu versorgen.

 

3. Horizontal- Ebenen des Körpers und der Seelen
Yin, Yang, Qi und die Essenzen Jing steigen über Blasen-Leitbahn und Du Mai von den Nieren aufwärts bis zum Kopf. Sie berühren dabei die Zangfu, die nicht nur Zentren der Qi-Produktion und Transformation, sondern auch aller anderen körperlichen und geistigen Kapazitäten des Menschen sind. Von innen nach außen entfalten sich Qi und Yang dabei von den konzentriertesten Qi-Höhlen auf dem Du Mai bis hin zu den Punkten auf dem 2. Ast der Blasenleitbahn. So wie wir auch in der therapeutischen Praxis die Behandlung auf einer rein körperlichen, substantiellen Ebene – und somit auch einer Form des Qi- auf Punkten des Du Mai oder in Gestalt der Shu-Punkte durchführen können, so können wir die transzendentalen Ebenen des Daseins mit den am meisten zum Yang, also dem Himmel entgegen strebenden Punkten auf den lateral gelegenen Punkten erreichen.

 

3.1. Die Lungen-Ebene
Dü 12 Tian Zong  天宗– eine himmlische Zusammenkunft
Wenn in einem Punktenamen “Tian”=der Himmel aufgeführt wird, so läßt dies zumindest folgende Assoziationen zu: Der Himmel ist Yang, es ist die Instanz des Kaisers, somit das Höchste und Mächtigste im Kosmos. Im Menschen verweist dieser Terminus auf den Kopfbereich- der ja wiederum sich zum Himmel hin öffnet. “Zong” steht für die angeborene Kraft der Vorfahren, die sich im Thorax ansammelt und die Rhytmisierung und Vernetzung des Menschen bewirkt. Anders als der unten beschriebene Punkt Po Hu (Bl 42) steht er also für die Kommunikation mit der Umwelt auf allen, auch auf der sozialen/familiären Ebene und deren Verbindungen – die durch den Tod indes nicht abreißen dürfen.
Lokalisiert ist dieser Punkt – auch dies ein Hinweis auf seine geistigen Qualitäten – in gleicher Entfernung zu den Shu-Punkten von Lunge und Herz. Er hat also auf beide Zang, deren Qi und deren “Seelen” einen Bezug.
Bl 42 Po Hu 魄戶= Tür zur Körperseele    
Eine Tür wird durch diesen Punkt geöffnet, durch die die Po-Seele und mit ihr die Körperlichkeit des Menschen beeinflusst werden kann. Gefühle, Empfindungen, die Sensibilität schlechthin wird durch di Po-Seele gesteuert, sie ist untrennbar mit der körperlichen Existenz verbunden und verläßt den Menschen mit dem letzten Atemzug, um zur Erde zurückzukehren. Zeitlebens wird sie in der Lunge gespeichert, sie garantiert die Aufrechterhaltung der körperlichen und geistigen Grenzen – aber auch deren mögliche Erweiterung: das Verhältnis zwischen Immanenz und Transzendenz. Mehr substanziellen Formen des Qi nähern wir uns beim folgenden Punkt:

Bl 13 Fei Shu 肺俞– Transportpunkt der Lunge
Das Schriftzeichen Fei, die Lunge, stellt einen Marktplatz dar neben dem Fleischradikal. Wie auf einem zentralen Markt ist die Lunge das Zentrum, in dem Energien aufgenommen und abgegeben werden. Überflüssiges herauslassen, Lebensnotwendiges behalten – darin besteht die essentielle Aufgabe der Lunge als Quelle des Qi und für den Rhythmus des Lebens.
Dieser Punkt hat eine direkte Einflussmöglichkeit auf alle Aspekte der Lunge und somit auch der Wandlungsphase Metall. Die zentrale therapeutische Bedeutung dieses Punktes wird im Qian Jin Fang betont, wenn es dort (frei übersetzt) heißt:  Bei Husten und Qi-Schwäche, bei 100 (= allen) Erkrankungen: Fei Shu zusammen mit Shen Shu (Bl. 23)

Du Mai 12  Shen Zhu 神住 – die Säule der Persönlichkeit
In der Bezeichnung dieses zentralen Punktes auf der Lungen-Ebene bedeutet Shen das Leibliche, das Ich und die durch diesen Punkt wie durch eine Säule (Zhu) aufgerichtete Persönlichkeit. Ein ausgeprägtes Körpergefühl – dies weißt auf die im Du Mai hergestellte Verbindung zur Stärke der Nieren hin. Dieser Punkt wirkt also am ausgeprägtesten an den „Grundfesten“ des Menschen, an Essenz und Qi.

 

3.2. Die Herz-Ebene
Blase 44 Shen Tang– 神堂Die Halle des Shen
“Shen” ist all dasjenige, was der Mensch vom Himmel aufnehmen kann. Es ist das Göttliche, Übernatürliche, was in ihm ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten enfalten lassen kann. Im heutigen Chinesisch ist es durchaus gleichbedeutend mit “Gottheit”. “Shen” als dieses unermessliche Potential des Himmels und des Kosmos wird über das Zang Herz in den Fähigkeiten des Menschen wirksam und daher gilt im “mikrokosmischen Staatsapparat” das Herz als Kaiser unter den 5 Zang. Hier, an diesem Punkt, residiert der Kaiser, es ist “seine Halle”.
Auf Shen können wir also mit diesem Punkt einwirken – nicht jedoch ohne unsere eigenen Kapazitäten auf dieser Ebene entfalten zu können: Shen kann nur wirken- auch als therapeutische Kraft- über ein offenes, freies Herz, das nicht durch Gedanken und Absichten blockiert ist!

Blase 15 Xin Shu 心俞 – Der Transportpunkt zum Herzen
Das Schriftzeichen für Xin zeigt die vereinfachte Darstellung des Herzorgans: oben der geöffnete Herzbeutel, in der Mitte das Herz und darunter die Aorta . Alle Schriftzeichen, die in irgendeiner Weise mit Gefühlen, Gedanken und Leidenschaften zu tun haben, haben diesen Grundbestandteil neben anderen Radikalen. „Das Herz hat das Amt eines Kaisers und Herrschers. Schöpferische Kraft und klare Einsicht stammen von ihm.“ (Su Wen, Kap. 8). Und so können wir über den Shu-Punkt vor allem auf ein übermäßiges Herz-Feuer einwirken, wie es auch im Lei Jing Tu Yi heißt: “klärt Hitze des Herzens, ebenso wie alle Shu-Punkte der Zang-Organe Hitze in ihrem Zang klären können”. Indikationen für diesen Punkt liegen dann in durchaus körperlich zu verspürenden Störungen wie Unruhe, Schlafstörungen, Palpiationen oder wirre Träume.

Du Mai 11 Shen Dao 神道– der Weg des Shen
Dao, der “Lauf der Welt” und “Shen”, das Göttliche im Menschen treffen sich an dieser Stelle. Es ist der Ort, an dem sich die Bestimmung des Menschen, sich ergebend aus seinem angeborenen Potenzial und “Ming”, dem himmlischen Mandat mit den Kapazitäten des Herzens vereint. Schädigungen, die im wahrsten Sinne des Wortes an “Herz und Nieren” gegangen sind, können über diesen Punkt behandelt werden – Stichwort “burnout” im wahrsten Sinne des Wortes! Hitze- und Unruhezeichen werden meist im Zusammenhang mit diesem Punkt erwähnt, dennoch wird dieser Punkt bevorzugt gemoxt- so zumindest die klassischen Texte, wobei vermutlich in diesem Kontext der konfuzianische Respekt vor diesem “kaiserlichen” Punkt maßgeblich war.

 

3.3 Die Milz-Ebene
Blase 49 Yi She 意舍 – Die Hütte der Gedanken
Yi bezeichnet die Kapazität des Menschen zum Denken und vor allem zur Äußerung dieser Gedanken. „In der chinesischen Sprache haben wir in diesem Zusammenhang die geistige Energie, die Seele Yi Òâ, die mit Bedeutung, Idee und Sinn übersetzt werden kann. Das Schriftzeichen zeigt das Aufnehmen von Tönen (einer Trommel, die von einem Mann geschlagen wird) durch das Herz. Das Herz - Radikal in diesem Schriftzeichen zeigt das ganz individuelle dieser Geistesbewegung, es wird das Innerste, das Herz durch diese Impulse berührt, sie rufen Gefühle hervor. Jeder Gedanke, jede Idee ist von Gefühlen, bewußt oder unbewußt begleitet. Jede Wahrnehmung ist verbunden mit einem bestimmten Stellenwert, einer bestimmten individuellen Wertung, die wir ihr zumessen.” Das Han-zeitliche etymologische Werk Shuo Wen Jie Zi sagt: „Yi bedeutet Zhi, der Wille: das Herz prüft die Worte und kennt die Absicht!“
Der zweite Bestandteil des Punktenamens „She“ ist das Zeichen für eine Hütte oder auch eine Raststätte. Die geistige Fähigkeit Yi setzt das Nachdenken voraus, die Reflektion der von außen aufgenommenen Impulse und deren Transformation – die zentrale Aufgabe der Milz und somit der Wandlungsphase Erde im Menschen. Ist diese Mitte im Menschen gestört, so entfällt auf die Dauer seine Existenzgrundlage – angeborene Essenzen können nicht mehr durch nachgeburtliche, aus der Umwelt gewonnene und nutzbar gemachte Essenzen aufgefüllt werden. Wir finden als Indikationen für die Behandlung über diesen Punkt so z.B. Essstörungen, zwanghaftes Erbrechen wie auch eine elementare schwere Stoff-Wechsel-Störung (!) wie den Diabetes.


Blase 20 Pi Shu 脾俞 - Der Transportpunkt zur Milz
Das Schriftzeichen für die Milz zeigt ein bescheidenes, alltägliches Trinkgefäß – ein Verweis auf ihre zentrale Aufnahme- und Umwandlungsfunktion. Entsprechend umfassend sind auch die Indikationen dieses Punktes, wie sie z.B. im  Shi Si Jing Yao Xue Zhu Zhi Ge aufgeführt werden: “nehme Moxa auf diesem Punkt, um folgende Krankheiten zu behandeln: alle Schädigungen von Milz und Magen, Erbrechen, Durchfälle, Malaria, Verdauungsstörungen, Gelbsucht, Massenbildungen, Kurzatmigkeit, Blutspucken, Krämpfe der Babys durch Milz (Leere) –Wind”. Oder auch im Zhen Jiu Da Cheng, in dem wir auch Kombinationsmöglichkeiten finden: “isst viel, aber der Körper bleibt dünn: + Blase 21; alle Durchfälle und Verdauungsstörungen: + Ren 4, Bl 23, Ni 7, Mi 16, Du 1, Ni 3, Ma 36, Ma 13, Ren 12, Bl 25”


Du Mai 6 Ji Zhong 脊中ji– Die Mitte der Wirbelsäule
Zwischen den beiden Transportpunkten zur Milz befindet sich dieser Vereinigungspunkt der Quellen von vorgeburtlichem und nachgeburtlichem Qi, der Energien von Milz und Niere. Er stellt die Verbindung her zwischen den Wurzeln und dem Zentrum des Menschen, zwischen Selbstbewußtsein, individueller Stärke und dem “Bauchgefühl”, welches sich aus der Interaktion und folgender Transformation zwischen Eigenem, bereits “Inkorporierten” und dem (noch) Fremden entwickeln kann. Auf der anderen Seite aber auch im Punktenamen der Hinweis auf die Lokalisation: Es ist die Mitte der Wirbelsäule und somit können über ihn auch Steifigkeit des Rückens, aber gerade in Verbindung von Verdauungsstörungen mit Problemen im unteren Erwärmer behandelt werden- wie z.B. heftige Durchfälle mit Problemen am Anus.

 

3.4 Die Leber-Ebene
Blase 47 Hun Men 魂門 – Tor zur Geistseele
Anders als die oben erwähnte Po-Seele stellt die Hun-Seele unsere Persönlichkeit dar, die nach dem Tod den Körper verläßt und sich als Shen (s.d.) vollendet. Sie ist die unsterbliche Seele im Menschen, die nach seinem Tod wiedergeboren wird. Für ihre körperliche Bindung benötigt sie das Blut und das Zang Leber. Der zweite Teil des Punktenamens ist „Men“, das Tor – offen für den Ausdruck der Persönlichkeit und die individuelle Entfaltung dessen, was in unserem Potential angelegt wurde. Findet diese freie Entfaltung nicht statt, so kommt es zu Blockaden auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene, so z.B. im Ju Ying als Indikation für die Behandlung dieses Punktes beschrieben: „kadaverähnliche Starre, Schmerzen in Herz und Brust, Essstörungen, Blähsucht, Harnverhaltung und erschwerter Stuhlgang, Sehnenkontrakturen und Knochenschmerzen“


Blase 18 Gan Shu 肝俞– der Transportpunkt zur Leber
Wie bei fast allen anderen Zangfu ist das Radikal für Fleisch ein Verweis auf die zentrale und substantielle Bedeutung der Leber – die Schriftzeichen für das Herz, Perikard und Sanjiao besitzen dieses Radikal hingegen nicht. Das daneben stehende Radikal zeigt eine Keule – es handelt sich offensichtlich um ein äußerst wehrhaftes Organ. Ist doch die Leber im Zusammenspiel der Zangfu innerhalb des mikrokosmischen “Staatsapparat” der für Planungen und strategische Entscheidungen zuständige General. Dieser Punkt wurde als so wichtig angesehen, daß mit seiner Hilfe – so das Zi Sheng Jing- das Augenlicht wieder hergestellt werden kann, wenn man gleichzeitig die Verbindung zum Mingmen-Feuer über die Moxibustion von Du Mai 4 herstellt!


Du Mai 8 Jin Suo 筋縮– schrumpfende Sehnen
In der Mitte der beiden Leber-Transportpunkte gelegen, kann über diesen Punkt die Versorgung der Muskeln und Sehnen durch die Reservoire der Essenz Jing beeinflusst werden. Geisteskrankheiten mit extremer Unruhe, epileptische Krampfanfälle und Steifheit der Wirbelsäule – als Ausdruck äußerster Verausgabung und auch angeborener Leere an Essenzen Jing.

 

3.5  Die Nieren-Ebene
Blase 52 Zhi Shi 志室– Das Zimmer des Willens
In diesem “Zimmer” wohnt die Willenskraft Zhi, die als geistige Qualität das Potential der Niere darstellt. Ein Wollen, welches aber nicht mit der Durchsetzungskraft der Leber gleichzusetzen ist, sondern aus der Wurzel, dem Fundament der Persönlichkeit erwächst. Der obere Teil dieses Schriftzeichens steht auch für die Weisheit, die Essenz des Lebens, die sich hier mit dem unteren Teil, dem Herz-Radikal vereint. Gerade wenn wir diese “Nieren-Ebene” genauer betrachten, ergibt sich vom Zentrum hin bis zur Peripherie, also von der Wirbelsäule und somit dem Punkt Du Mai 4 (s.u.) eine zunehmende Entfaltung der dem Menschen innewohnenden Kapazitäten. Insofern hat Zhi Shi eine nach außen gerichtete Energetik, aber es ist als “Zimmer” gleichzeitig ein Punkt, der diese Entfaltung bewahrt und ein wenig zurück hält – ehe sie in der Dynamik der Leber ihre gestaltende und mitunter (pathologisch) zerstörerische Kraft entwickelt.


Blase 23 Shen Shu 腎俞– Der Transportpunkt zu den Nieren
“Das Schriftzeichen zeigt neben dem Fleischradikal einen Minister, der demütig vor seinem Herrn niederkniet. Dieses Bild gibt deutlich die enge Verflechtung der Nieren mit dem Herz-Kaiser wieder, die ihre Entsprechung in der Polarität von Jing-Shen findet: Wasser-Feuer in seiner ursprünglichen Vitalität”
Die Nieren sind die Quellen von Yin und Yang, wobei die linke Niere eher dem Yin als Wasser-Niere und die Rechte eher dem Yang als Feuer-Niere zugeordnet wird. Rückenschmerzen im Lendenbreich sind leitsymptom einer Nieren-Schwäche schlechthin, und so werden über diese Transportpunkte eine Vielzahl von Krankheiten behandelt, die die fundamentalen Aufgaben der Nieren betreffen: Fortpflanzung, Sexualität, Reproduktion, Probleme der Blase, Erschöpfungszustände u.v.a.m.


Du Mai 4 Ming Men 命門– das Lebenstor
„Ming“ bezeichnet ein „himmlisches Mandat“, es ist gleichbedeutend mit dem Schicksal oder einem vorgegebenen Lebensweg, den jeder Mensch für sich beschreitet. Über diesen Punkt fließt vor allem das Yuan Qi aus den Nieren zusammen und nach oben, vereint sich mit dem Feuer des Herzens und garantiert so die Wärme des Lebens. Wenn diese Wärme sich nicht verbreiten kann, erstarrt die Lebenskraft des Menschen und somit kann er seinen Lebensweg nicht mehr weiter beschreiten. Ming Men ist dementsprechend ein Punkt der vor allem gemoxt werden sollte. Nur sehr selten kommt – zumindest in meiner Praxis- die Nadelung in Frage, wenn sich das Ming Men –Feuer als zu stark und verzehrend erweist.

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Quellen und Literatur:
Lorenzen/Noll: Die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin, Band 1: Die Wandlungsphase Holz, München 1992 und 2002 (zweite erweiterte Auflage)
Lorenzen/Noll: Band 2: Die Wandlungsphase Metall, München 1994
Lorenzen/Noll: Band 3: Die Wandlungsphase Erde, München 1996
Lorenzen/Noll: Band 4: Die Wandlungsphase Feuer, München 1998
Lorenzen/Noll: Band 5: Die Wandlungsphase Wasser, München 2000
Lorenzen, Udo: Mikrokosmische Landschaften – Übergreifende Konzepte in der chinesischen Medizin, Band 1, München 2006
Ausgewählte Klassische chinesische Quellen (benutzt in den Wandlungsphasen-Büchern Lorenzen/Noll)
Bei Ji Qian Jin Yao Fang (Rezepte wertvoller als 1000 Goldstücke zur sofortigen Therapie), 652, Ausgabe Taipei 1965
Huang Di Nei Jing Su Wen Yi Shi (Des gelben Kaisers Klassiker des Inneren, grundlegende Fragen – Übersetzung und Erläuterungen), Shanghai 1959
Lei Jing (Der geordnete Klassiker), 1624 n. Chr., Ausgabe Beijing 1965
Qian Jin Yi Fang (Ergänzungen zu den kostbaren Rezepten), 682, Ausgabe Taipei 1965
Shuo Wen Jie Zi (Etymologisches Wörterbuch der Han-Zeit), 200 n. Chr.), in: Zhong Wen Chang Yong San Qian Xing Yi Shi (Die Etymologie von 3000 chinesischen Zeichen zum allgemeinen Gebrauch), Hong Kong University Press 1968 
Tong Ren Shu Xue Zhen Jiu Tu Jing (Klassiker mit Abbildungen der Akupunkturpunkte am Bronzemenschen), 1026, Ausgabe Taipei 1984
Wai Tai Mi Yao (medizinische Geheimnisse eines Beamten), 752, Ausgabe Beijing 1982
Zhen Jiu Xue Ci Dian (Lehrbuch der chinesischen Akupunktur), Shanghai 1986
Zhen Jiu Jia Yi Jing (Abc-Klassiker der Akupunktur), 282, Volksverlag Beijing 1979
Zhen Jiu Da Cheng (große Zusammenstellung der Akupunktur, 1601, Ming Dynastie, Volksverlag Beijing 1984
Zhen Jiu Zi Sheng Jing (Der lebensbewahrende Klassiker der Nadel- und Moxa-Therapie), 1220
 

 

 

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